Bram Stoker’s Dracula

USA, 1992, 130 min. (DRACULA)
Regie: Francis Ford Coppola; Buch: James V. Hart nach dem Roman »Dracula« von Bram Stoker; Kamera: Michael Ballhaus; Musik: Wojciech Kilar; Schnitt: Nicholas C. Smith, Glen Scantlebury, Anne Goursaud 
Besetzung: Gary Oldman – Dracula; Winona Ryder – Mina/Elisabeta; Anthony Hopkins – van Helsing; Keanu Reeves – Jonathan; Tom Waits – Renfield
Der gescheiterte Versuch, aus einem mittelmäßigen Buch mehr als einen mittelmäßigen Film zu machen. Die oppulente Bilderflut, die symphonische Musik und die teilweise hervorragenden Darstellerleistungen können die inhaltlichen Schwächen nicht verdecken. Der Plot hält sich zuwenig an seine eigenen Voraussetzungen – Fantasy darf alles, doch wenn sie gut sein will, muß sie sich an die selbstgeschaffenen Bedingungen halten und in sich stringend und schlüssig sein! –, und vieles stimmt nicht. Bei der angeblichen Geschichte von Vlad Tepes etwa – am Anfang – stimmt fast nichts; besser hätte Coppola gar nicht erst diesen Namen verwandt! So wurde Tepes erste Frau wahrscheinlich von ihm ermordet, und während seiner jahrelangen Gefangenschaft in Ungarn konvertierte er zum Katholizismus, um eine Verwandte des ungarischen Königs zur zweiten Frau nehmen zu können. Das Gottesbild, das der Film darstellt, ist höchst widersprüchlich (am Anfang der rächend-blutige Gott, am Schluß der Gott der Vergebung). Das Ende des Films ist unlogisch und überhaupt nicht schlüssig: Dracula wird erlöst, bevor er tot ist; die Männer lassen die Frau mit dem Monster gehen, obwohl sie keineswegs mit einem guten Ende rechnen können – usw. usw.
Daß Coppola und die Werbung den Film als »Bram Stokers' Dracula« verkaufen und behaupten, dem Original so nah wie möglich zu kommen, ist zumindest ärgerlich; zwar hält sich Coppola bei der Personenzuordnung so eng an das Buch wie kein anderer Film, den ich kenne, doch sind die Figuren in ihrer Anlage oft anachronistisch, die (Liebes-)Geschichte ist komlett erfunden – was Coppola in seinem eigenen Buch zum Film auch stolz zugibt –, und wie der Vampir bei Tag rumläuft, ist »Anti-Stoker« pur... Der Vampir ist weder in der Legende noch in der Literatur immer ein Nachtwesen, dem das Tageslicht schadet. Ob LeFanus »Carmilla«, Maupassant »Horla« oder Poul Andersons Wiedergänger in »Hauks Saga«: Vampire sind oft weitaus mächtiger und weniger an Vorschriften gebunden als bei Bram Stoker - und auch in vielen Filmen gibt es da eigene Regeln. »Dracula« hat sich halt durchgesetzt in der allgemeinen Vorstellung bei uns. Was mich an Coppolas Film so ärgert, ist nicht, daß sein Vampir das Tageslicht erträgt, sondern, daß dies Stokers' Dracula sein soll!
Coppola hat sich auch in diesem Film an sein Motto gehalten, nur bei den besten zu stehen, so etwa bei den Dracula-Verfilmungen von Curtis und Badham, aber es hat nichts genützt. Zwar ist sein Film noch einer der besseren Dracula-Filme – doch angesichts Coppolas eigenem Anspruch und des enormen Aufwandes ist er eine Enttäuschung – ein Film der vertanen Chancen.
»Aufwendige Neuverfilmung eines Literatur- und Filmklassikers, der opernhaft die Topoi des Horror-, Abenteuer- und Splatter-Genres ausbeutet, aber letztlich zu keiner eigenen Handschrift findet.« (Lexikon des Internationalen Films, München 1996)

 

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